Was hinter Flyern steckt – Mein Praktikum bei der Akademie

Öffnet man den Flyer des Werte.Dialog.Integration Projekts der Akademie für philosophische Bildung und Werte Dialog, erfährt man sogleich, dass „die Akademie spezielle Formate des philosophischen Dialogs für verschiedene Zielgruppen als fruchtbare Möglichkeit der Auseinandersetzung über verschiedene und gemeinsame Wertvorstellungen – und über gängige Grenzen im Kopf hinweg“ entwickelt. Aber wie genau kann man sich diese fruchtbare Möglichkeit der Auseinandersetzung vorstellen? Flyer müssen gut ausschauen und vielversprechend klingen, aber was steckt dahinter?

Ich hatte die Gelegenheit einen Blick hinter die Worte des Flyers zu werfen und die Arbeitswelt der PhilosophenInnen mitzuerleben. Als Praktikantin durfte ich unter anderem Julia Blum-Linke bei einem Auftrag des bfz Augsburg unterstützen. Sie wurde gebeten für zwei der dortigen Berufsintegrationsklassen einen dreiteiligen Workshop zu gestalten, der zum einen der Wertebildung dient und zum anderen den Schülern hilft sich selbst besser kennenzulernen. Nach einigem Brainstorming und vielen verworfenen Ideen stand schließlich das Konzept: 1) Was ist wirklich wichtig im Leben? 2) Wer bin ich? Wer will ich sein? 3) Wie treffe ich wichtige Entscheidungen? Die Workshops wurden jeweils in den Klassen durchgeführt und ich hatte die Möglichkeit an einem der ersten Workshops und bei beiden Durchführungen des zweiten Workshops teilzunehmen und mitzuwirken.

 

Wofür brauchen wir den Wertedialog?

„Es muss einen tiefergehenden Dialog […] geben, über das was eine Gemeinschaft trägt, was sie zusammenhält und wohin sie sich bewegen will.“ Um das herauszufinden, muss ich als Teil der Gesellschaft wissen, wer ich bin, was mir wichtig ist und wohin ich will. Im ersten Workshop konnten die Schüler sich überlegen, was ihnen wirklich wichtig ist. Jeder sollte eine Sache für sich finden und bei einem anschließenden Austausch in einer kleinen Gruppe, sollte eine Wertehierarchie aufgestellt werden – Was ist uns am wichtigsten?

Zurück in der ganzen Gruppe zeichnete sich folgendes Bild: Mehrere Gruppen waren zu dem Ergebnis gekommen, dass Gesundheit und Familie das wichtigste in ihrem Leben sei. Auch genannt wurde Liebe, Mut, Reisen, Mutter. Gemeinsam einigten wir uns darauf über darüber zu philosophieren, was Familie eigentlich ist und fanden Stichworte wie Kraft, (Selbst)vertrauen, Unterstützung, Liebe, Trost, Respekt, Verantwortung, Liebe… und philosophierten weiter über diese. Auch der zweite Workshop ergab eine spannende Bandbreite an Gedanken zum Ich: Von einfacheren Merkmalen des Ichs wie Name, Alter, Herkunft, Beruf, Status, über Beziehungen in Familie und mit Freunden und (Selbst)vertrauen bis hin zu der Überlegung, was einen guten Charakter auszeichnet (Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Aufrichtigkeit…) und zu Hoffnung, Träumen und Glauben, die die Kraft geben Ziele zu erreichen.

Die philosophische Gesprächsleitung

 „… vertieft das Gespräch durch Nachfragen, gibt Denkanstöße und motiviert, genau hinzusehen, bewusst zuzuhören und öfter nachzufragen.“  Diese Beschreibung klingt auf das erste Lesen sehr viel leichter als es ist. Vor allem wenn von keinem der Teilnehmer Deutsch die Muttersprache ist. Ich war beeindruckt von der Leichtigkeit, mit der Julia den Überblick behielt, Impulsfragen so stellte, dass Gedanken weiter entwickelt wurden und neue Perspektiven entstanden. So warf sie beispielsweise, als wir bei dem Thema Respekt angelangt waren, die Frage auf, ob man seinen Lehrer auf die gleiche Weise respektiert wie seinen Vater. Nachdem die Schüler über diese Frage nachgesinnt hatten, fiel ihnen auf, dass einige der Werte, die wir in Bezug auf die Familie gesammelt hatten, auch für andere Lebensbereiche gültig sind.

Weiter vorne im Flyer heißt es außerdem: „Die Gesprächsleitung schafft die Bedingungen dafür, dass den verschiedenen Ansichten mit Respekt und Wertschätzung begegnet werden kann.“ Zu dem einfühlsamen, aufmerksamen Umgang mit den Teilnehmern fallen mir zwei einprägsame Beispiele ein. Zum einen führten wir zu Beginn des zweiten Workshops als Einstieg eine Übung durch, bei der jeder drei Fähigkeiten und Talente aufschrieben sollte, die er sowohl charakterlich als auch im schulischen Bereich an sich findet. Einer der Jungen saß unmotiviert da und schrieb Nichts auf. Als Julia ihn fragte, warum das so sei, meinte er: „Ich kann nichts wirklich gut.“ Daraufhin nahm Julia ihn zur Seite und stellte ihm während der restlichen Übung Fragen, die ihm halfen nun doch ein paar Punkte aufschreiben zu können. Das zweite Beispiel war ein Kompliment, das die dortige Lehrerin, die ebenfalls am Workshop teilnahm, Julia zusprach. In der Gruppe war ein Junge, der sehr unruhig war und hin und wieder unangemessene Beiträge brachte. Die Lehrerin meinte zu Julia, dass es schön sei, wie sie den Jungen in seiner Art annahm und ihm Raum gab, er selbst zu sein und gleichzeitig seinen Fokus auf das Gespräch lenkte.

 

Ein Gespräch als Ort der Begegnung

„Der Wertedialog kann als Ort verstanden werden, an dem sich die Menschen kennen lernen – sich selbst und ihr Gegenüber. Hier gibt es die Möglichkeit, eigene Haltungen und Standpunkte zu prüfen, Gedanken laut zu formulieren, gemeinsame Perspektiven zu entwickeln.“ Das das philosophische Gespräch ein Ort ist, an dem sich die Teilnehmenden besser kennen lernen wird vielfach bestätigt, auch hier wieder. In der Abschlussrunde, meinten die Lehrer, dass sie an ihren Schülern neue Seiten entdeckt hätten und auch die Schüler ließen verlauten, dass es interessant war, die Perspektiven der Anderen zu sehen und sie nun besser verstehen könnten, wie der jeweils andere tickt. Ein Beispiel hierfür ergab sich aus der Frage nach Respekt. Eine Schülerin erklärte, dass sie Andere erst dann respektiert, wenn sie ihr mit Respekt begegnen, wird sie nicht respektiert, respektiert sie auch niemanden. Die Meinungen darüber waren gespalten: Muss mich der Andere wirklich zuerst respektieren? Allerdings erklärt die Sichtweise der Schülerin ihr Verhalten und macht es den Anderen eventuell leichter sich auf sie einzulassen.

Wenn das philosophische Gespräch ein Ort der Begegnung ist, dann muss auch Raum für persönliche Erfahrungen sein. Im Flyer heißt es: „Lebenswelt, Erfahrungen und Sichtweisen der Teilnehmenden geben den Anlass zum Gespräch und bieten Raum für die großen Fragen an die Gemeinschaft und an das Leben.“ Für diese Erfahrung gibt es zahlreiche Beispiele, aber eine ist mir besonders ans Herz gegangen. Ein Junge meinte, dass er niemandem mehr vertraut. Er erklärte, das dem so sei, weil seit er in Deutschland ist, alle immer gesagt hätten: Vertrau uns! Mach dieses und jenes. Vertrau uns, wir holen deine Familie her. Allerdings hat er mit dem Vertrau-uns der Behörden nur schlechte Erfahrungen gemacht. Er nannte uns auch ähnliche Beispiele aus seinem Privatleben. Das Fazit seiner Erlebnisse war also, dass Vertrauen etwas schlechtes ist. Im weiteren Gesprächsverlauf ergab sich jedoch noch eine andere Perspektive. Die die Teilnehmenden stellten fest, dass Vertrauen wichtig ist für den Umgang miteinander und für das Leben. Außerdem bemerkte jemand, dass der Junge ja doch ein Stück Vertrauen in die Anderen Gruppenmitglieder haben müsse, da er sonst gar nichts von sich erzählen würde.

 

Ich als Praktikantin

Am Ende meines Praktikums kann ich festhalten: Die Akademie hält alles was sie in Flyern und auf der Homepage verspricht. Sowohl in Bezug auf das Werte.Dialog.Integration Projekts, als auch bei der philosophischen Berufsorientierung, als auch bei den Fortbildungen. Und selbstverständlich auch hinsichtlich des Praktikums. Ich hatte Gelegenheit in allen Bereichen der Akademie mitzuarbeiten – Fortbildungsorganisation, Workshopkonzeption, philosophische Berufsorientierung, Öffentlichkeitsarbeit… – und durfte an Fortbildungen und Workshops teilnehmen.

 

Vielen Dank für diesen Beitrag an Theresa Kern – und alles Gute für deinen weiteren Lebensweg!

Dorfgespräch in Amerang

Angenehm. Anders. Amerang. Weil Amerang so angenehm anders ist, waren wir am 26. März zu einem Dorfgespräch dort, um mit den Bewohnern des Ortes über die Werte zu Philosophieren, die für das dörfliche und europaweite Zusammenleben zentral sind. Dieses Zusammentreffen entstand vor dem Hintergrund der Kooperation mit unserem Wertebündnispartner ‚Dorfgespräch!‘, der einen Austauschabend zu dem Thema ‚Europa und ich‘ in Amerang organisiert hatte.

Nachdem sich etwa 40 Bürger im Pfarrsaal der Gemeinde versammelt hatten, begann der Abend mit einem Speeddating, bei welchem unterschiedliche Fragen in Bezug auf Amerang und Europa im Mittelpunkt standen. Dabei waren viele Stimmen zu hören. Es wurde deutlich, dass es den Bürgern von Amerang wichtig ist, dass es in Europa keine Grenzen gibt, dass wir frei sind, das der Frieden wegweisend ist und Vielfalt und Hilfsbereitschaft bedeutsam sind.

Nach diesen ersten, kürzeren Dialogen bekam jeder Einzelne die Aufgabe, sich zu überlegen, welcher Wert für das Zusammenleben der wichtigste sei. Anschließend wurden Gruppen gebildet, um sich über die gefundenen Werte auszutauschen und diese zu hierarchisieren. Mit dem Wert, der auf Platz Nummer Eins gelandet war, versammelten sich die einzelnen Gruppen wieder im großen Sitzkreis und erklärten, wie sie zu ihrem wichtigsten Wert gekommen waren und bildeten auch hier wieder eine Rangordnung. Das Ergebnis waren folgende Werte: Toleranz, Solidarität, Empathie, Wertschätzung und Gleichheit vor dem Gesetz.

Im Anschluss daran gingen wir gemeinsam der Frage nach, was Toleranz eigentlich ausmacht. Dabei stießen wir auf viele weiterführende Fragen:  Reicht Toleranz aus oder ist sie zu passiv im Sinne von Dulden? Ist Solidarität für unser Zusammenleben nicht wichtiger, da sie den Fokus mehr auf Aktivität und Eigenverantwortung legt? Ist Toleranz vielleicht immer dann einfach, wenn man von Menschen umgeben ist, die einem ähnlich sind? Sind wir in unseren Vorstellungen von Toleranz immer ehrlich? Handeln wir oft anders, als wir es vorgeben zu tun?

Nach dieser intensiven Runde wurde es wieder praktisch und alltagsbezogen: in kleineren Gruppen wurden Ideen gesammelt, wie die diskutierten Werte bei einer öffentlichen Aktion am 5. Mai im Zentrum Amerangs gelebt werden könnten. Die Überlegungen reichten von Speakers‘ Corner über eine lange Tafel mit Mitgebrachtem, offener Bühne und Europaquiz bis hin zu europäischen Spuren in Amerang und Dorfgeschichten über die Vielfalt Amerangs. Ein Organisationsteam wird nun konkrete Ideen weiter verfolgen. Wer gespannt ist, auf die Umsetzung der Ideen ist herzlich zum nächsten Dorfgespräch am 5. Mai eingeladen, das zwischen 12 und 16 Uhr im Freien hinter der Amerganger Kirche statt.

Abschließend hatte jeder die Möglichkeit ein persönliches Fazit zu äußern. „Im Kries sind wir alle nebeneinander“ „Sich näherkommen und miteinander beschäftigen“ „Toleranz ist Duldsamkeit, das Gegenstück ist Leibe.“ „Manchmal ist es schmerzlich tolerant zu sein.“

 

Video zum Dorfgespräch

Gesucht: Realschulen in München

Wir können jetzt wieder Workshops zur philosophischen Lebens- und Berufsorientierung vergeben. Lebens- und Berufsorientierung? Klassischerweise werden in der Berufsorientierung Stärken und Schwächen ermittelt. Berufsbilder vorgestellt. Die ein oder andere Praxiserfahrung gesammelt. Diese Kenntnisse sind wichtig. Die Frage „Was will ich werden?“ umfasst aber viel mehr. Sie beinhaltet die Frage nach dem „Wer bin ich?“. Sie fragt danach, wie man sein Leben gestalten möchte. Und nicht zuletzt geht es auch um gelebte Werte. Diesen Fragen geht die philosophische Lebens- und Berufsorientierung nach.

Aktuell können wir je drei 90minütige Workshops zur philosophischen Lebens- und Berufsorientierung vergeben. Die Schülerinnen und Schülern setzen sich in dieser Zeit mit folgenden Fragen auseinander:

  • Wie finde ich einen Beruf, der zu mir passt?
  • Wer bin ich und wer möchte ich werden?
  • Wie treffe ich eine richtige Entscheidung?

Das Angebot richtet sich an die 9. Jahrgangsstufe aller städtischen Realschulen in München. Die Maßnahme wird finanziert von der Stadt München und der Bundesagentur für Arbeit.

Weitere Informationen zur philosophischen Lebens- und Berufsorientierung findet ihr hier. Oder ihr wendet euch direkt an Petra Reuß. Sie kann euch auch mehr darüber erzählen, wie Eltern von dem Angebot profitieren können.

GIVE AWAY: Fortbildungsplatz in der neuen F-Reihe am 23./24. Mai in München

Es ist wieder soweit: am 23./24. Mai 2019 findet das erste Modul der neuen F-Reihe statt und Caroline Hosmann verlost an einen von euch einen Fortbildungsplatz im Wert von über 200 Euro!

Im ersten Modul geht es darum, eine Sensibilität für (Kinder-) Fragen wie für philosophische Fragen zu entwickeln und die Rahmenbedingungen für philosophische Gespräche zu entwickeln. Es werden die notwendigen Voraussetzungen für erste Umsetzungen erarbeitet. Die (Zusatz-) Ausbildung ist insbesondere auf die Lebenswelten Kindergarten, Grundschule und 5.-6. Klasse ausgerichtet, eignet sich aber auch super als Einstieg in das Philosophieren mit allen Altersstufen!

Weitere Informationen zum Modul und zu den Teilnahmevoraussetzungen findet ihr auf Caros Homepage:

https://www.naturkinder.com/was-ist-glueck-philsophieren-m…/

Viel Erfolg!!

Was an Ihrer Arbeit erfüllt Sie mit Sinn?

Berufsorientierung. Das sah bei mir so aus: Ich habe einen Test im Arbeitsamt ausgefüllt und hinterher eine Liste mit möglichen Berufen ausgespuckt bekommen. Dass Berufsorientierung im Grunde genommen Lebensorientierung ist, das kam nie zur Sprache.

Bei der „Ausbildungstour“ des Landratsamtes München, die in Kooperation mit der IHK durchgeführt wurde, stand aber genau dieses Thema im Vordergrund. Auf der Agenda: Große Fragen des Lebens. Wer bin ich? Wer möchte ich sein? Wie finde ich einen Beruf, der zu mir passt? Was macht eine gute Entscheidung aus? Unsere Kollegin Dr. Theres Lehn und Referentinnen der Akademie philosophierten mit den 30 Schülerinnen und Schülern im Vorfeld über diese Fragen. Erst danach ging die Bustour los.

Die Stationen: Der Isarland Biohandel, der Brauereigasthof Ayingen, Develey, die NH Hotels, die Auto Schmid GmbH und die Fritzmeier Group. Sie alle öffneten ihre Türen und standen für Gespräche zur Verfügung. Auch die Fragen an die Mitarbeiter wurden in den philosophischen Workshops vorbereitet. Und so ging es nicht nur darum, welche Ausbildungsplätze angeboten werden. Die Jugendlichen wollten auch wissen: Was an Ihrer Arbeit erfüllt Sie mit Sinn? Zweifeln Sie manchmal an Ihrer beruflichen Entscheidung? Was ist Erfolg für Sie? Philosophiert wurde dann auch noch, ganz gemütlich im Gasthof. Was zeichnet einen guten Vorgesetzten aus? Und was einen guten Mitarbeiter? Ganz oben auf der Liste: Offenheit, Zuverlässigkeit, Hilfsbereitschaft.

 

Zum Abschluss konnten die Schülerinnen und Schüler ihre Eindrücke kreativ umsetzen. Christine Auerbach vom Bayerischen Rundfunk und Marek Bartos, IT Entwickler und Referent der Akademie, arbeiteten mit ihnen an Texten über ihre Zukunft. Getextet wurde spontan, schnell und witzig: Wo ist dein Nachbar in 10 Jahren? Wie sieht die Zukunft eines Gegenstandes aus dem Rucksack deines Nachbarn aus? Erzählt wurde aus der Ich-Perspektive: Von Alleinerziehenden, Multimillionären, Plastikflaschen, die im Ozean schwimmen und Himbeeren – die 1,2,3 weg sind. Anschließend ging es dann um die eigene Zukunft. Auf dem Mars. Die Verfremdung half, die Sicht auf die eigene Zukunft nochmal neu zu denken. Ziel der Übung: Einen philosophischen Text über das eigene Leben und den Beruf zu schreiben. Diesen vortragsreif auszuformulieren, dazu reichte die Zeit nicht. Aber ein Anfang ist getan und der Anreiz ist da, die Texte fertig zu kriegen. Am 28. März sollen die drei besten Beiträge auf der ersten regionalen Ausbildungsmesse im Landkreis München in Form eines „Philosophy – Slams“ vorgestellt und prämiert werden.

Berufsorientierung ist Lebensorientierung. Wenn ihr wissen wollt, wie so ein „Slam-Text“ über das Leben und die Zukunft aussehen kann: der Text „One Day“ von Julia Engelmann aus dem Jahr 2013 ist immer noch eine Inspiration. Und welche Geschichten werdet ihr euch erzählen?

 

Beitragsbilder: IHK München und Oberbayern

 

Autorin des Beitrags: Diana Schick

 

Gibt es sie noch, die verbindlichen Werte?

In der Akademie für Politische Bildung am Starnberger See haben wir am 23. Februar einen besonderen Nachmittag verbracht: Im Workshop „Bildung für die Demokratie“ haben 16 TeilnehmerInnen mit uns intensiv über die Frage nach den verbindlichen und grundlegenden Werten einer Demokratie, unserer Demokratie, geforscht. Der Kurs fand statt auf Einladung der Akademie für Politische Bildung, die als Partner von Street Philosophy das Rahmenprogramm zur Bildungskonferenz „Beyond Knowledge“ gestaltet hat. Organisiert hatte diese Konferenz das starke Frauen-Duo Julia Kalmund und Nina Schmid im Literaturhaus. Es waren kluge Menschen geladen, wie der Philosoph und Autor Richard David Precht, die Kriegsfotografin Julia Leeb, Astrophysiker Harald Lesch oder Philosophin und Autorin Ariadne von Schirach u.v.m., die über die Themenverkettung „Bild, Bildung, Menschenbildung“ sprachen. Nina Schmid moderierte mit Tiefsinn, poetischer Kraft und offenem Herzen (man kann es einfach nicht anders sagen).

 

Unser Einstieg in den Workshop-Nachmittag begann denn auch mit Zitaten aus der Konferenz:

„Wir sind beim Lernprozess von der Schallgeschwindigkeit zur Lichtgeschwindigkeit übergegangen.“ – Harald Lesch

„Schule kann nicht alle gesellschaftlichen Probleme auffangen durch immer neue Angebote!“ – Aga Trnka-Kwiecinski

„Wir brauchen nicht leistungsfähige, sondern beziehungsfähige Kinder. (…) Bildung ist Emotionalität. (…) Wir lernen und erinnern durch Emotionen.“ – Aga Trnka-Kwiecinski

„Bilder verbinden Fakten mit Gefühlen. (…) Bilder haben was mit Bildung zu tun.“ – Julia Leeb

„Der Mensch ist (im Gegensatz zur KI) natürlich, emotional, fiktionsbedürftig, moralfähig. (…) Kreativität bedeutet nicht Problemlösung.“ – Richard David Precht

„Wir sind Wesen, die sich selbst gestalten.“ – Ariadne von Schirach

 

Welche Fragen wir erarbeitet und über welche Werte wir philosophiert haben, das hat dankenswerterweise Julia Kalmund bereits zusammen gefasst und veröffentlicht: https://street-philosophy.de/bildung-fuer-die-demokratie/ . Aber nicht nur deshalb ist der Blog von Nina Schmid und Julia Kalmund unbedingt lesenswert , es lohnt sich immer wieder, einen Blick hinein zu werfen! Vielen Dank an StreetPhilosophy für die Einladung und den bericht – wir freuen uns auf weitere gemeinsame Aktivitäten!

Der Titel der nächsten Konferenz von Street Philosophy lautet übrigens: „Beyond Ideology“ – wir sind gespannt.

Julia Blum-Linke

 

Ohne Werte wären wir Maschinen.

Diese Erkenntnis nahm eine Schülerin der 8. Klasse aus den philosophischen Gesprächen rund um das Thema Werte mit. Sie ist eine von rund 170 ausgewählten Schülerinnen und Schülern, die in Bayern zu Wertebotschaftern ausgebildet werden. Die Ausbildung ist Teil der Initiative „Werte machen Schule“ des Kultusministeriums Bayern. Mehrere Partner, darunter auch Lehrkräfte und Medienpädagogen, sind an der einwöchigen Schulung beteiligt. Die ersten Workshops fanden in Niederbayern, Schwaben und Oberfranken statt.

Fast zwei Tage haben wir jeweils mit den jungen Wertebotschaftern verbracht. Wir haben mit ihnen darüber philosophiert, was eigentlich ein Wert ist und welche Werte in ihrem Leben eine Rolle spielen. Egal ob daheim, mit Freunden, in der Schule oder in der Gesellschaft. Und natürlich ging es auch um die Frage: Was ist mir persönlich wirklich wichtig? Und auf welcher Wertebasis treffe ich meine Entscheidungen? In einem Workshop erprobten die Schülerinnen und Schüler dann ihre demokratischen Kompetenzen. Die Aufgabe: Einen Konsens finden und sich auf gemeinsame Werte einigen. Gar nicht so einfach. Festgehalten wurden die Ideen und Erkenntnisse der Jugendlichen in Fotografien und in der Vision einer „Idealen Schule der Werte“. Für die Jugendlichen war dieser Teil der Ausbildung ein wichtiger Baustein auf ihrem Weg zum Wertebotschafter. Ihre Erkenntnisse haben die Jugendlichen für sich und andere festgehalten:

„Man kann die Persönlichkeit erst richtig entfalten, wenn man Menschen hat, die einem zuhören.“

„Werte sind wie ein Netz, das uns zusammenhält und uns Zusammenarbeit ermöglicht.“

„Wenn wir keine Werte hätten, wären wir Maschinen, aber keine Menschen. Wir würden nur funktionieren. Werte machen uns menschlich!“

„Wir brocken uns das ja selbst ein, dass wir beeinflusst werden von Social Media und Menschen, die gar nicht so sind, wie sie sich darstellen.“

„Werte können sich verändern, es muss nicht immer alles gleich bleiben – das habe ich für mich erkannt.“

Über die Ausbildung zum Wertebotschafter sollen die Jugendlichen Basiskompetenzen zu Wertebildung, Kommunikationsfähigkeit und Teamführung erwerben. Vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen wie dem digitalen Wandel, Extremismus, Gewalt und Fake News wird den Schülerinnen und Schülern ein starker ethischer Kompass als Richtschnur für ihr Handeln mitgegeben. Ziel ist es, dass sich die jungen Menschen aktiv für ein Miteinander in der Gesellschaft engagieren, das von Respekt und Zivilcourage geprägt ist. Ihre Kenntnisse und Fähigkeiten sollen sie anschließend an ihre Mitschülerinnen und Mitschüler weitergeben.

Die nächsten Wertebotschafter-Wochen finden im Schuljahr 2019/2020 in Oberbayern, Unterfranken, Mittelfranken und in der Oberpfalz statt.

Foto links und Beitragsbild: Andreas Gebert

Ausflug auf den Gedankenspielplatz

Hin und her und her und hin. Ich sitze auf der Schaukel mit geschlossenen Augen, genieße die Sonne in meinem Gesicht und spüre den Flugwind in meinen Haaren. Schaukeln war im Kindergarten meine Lieblingsbeschäftigung. Aber kann es sein, dass Schaukeln und Spielplätze etwas mit Philosophie zu tun haben? Auf den ersten Blick stellt das gemeinsame Nachdenken einen starken Kontrast zu den Abenteuern dar, die man auf dem Spielplatz erleben kann. Was aber, wenn die Schaukel zum Sinnbild für eine Meinung wird oder eine Wippe die unterschiedliche Gewichtigkeit von Argumenten symbolisiert?

Indem man durch die Spielgeräte an die Lebenswelt der Kinder anknüpft, erlernen diese auf spielerische Weise die grundlegenden Kompetenzen des Philosophierens. Die Erfinderin des Gedankenspielplatzes, Laura Kerslake, hat neben der Schaukel und der Wippe drei weitere Elemente eines Spielplatzes zu philosophischen Instrumenten gemacht. Die Überwindung, die es braucht sich in die Ungewissheit der Rutsche zu stürzen, steht für den Mut, den es braucht, um seine Gedanken vor einer großen Gruppe auszusprechen. Das Klettergerüst, auf dem man Schritt für Schritt weiter gelangt, zeigt den Kindern, dass es wichtig ist einander zuzuhören und die Ideen Anderer miteinzubeziehen. Und wie man von einem Ausguck den Trubel des ganzen Spielplatzes überblicken kann, so können sich die Kinder auch über einen philosophischen Dialog einen Überblick verschaffen, indem sie sich zurücknehmen und den Argumenten der anderen folgen.

Diesen Gedanken-Spielplatz hat uns Laura Kerslake, die derzeit an der University of Camebridge promoviert, gestern Abend vorgestellt. Sie entwickelte diese Idee, um Kindern den Einstieg in die Philosophie zu erleichtern. Die verschiedenen Instrumente werden den Kindern über zehn Wochen hinweg vorgestellt und eingeübt. So gelingt es mit Grundschülern über zunehmend komplexere Probleme zu philosophieren. Von anfangs leichten Fragen wie „Ist es besser eine Person sehr glücklich zu machen oder 10 Leute ein bisschen glücklich zu machen?“ kann man sich bis hin zum Trolley-Dilemma weiterarbeiten.

Nach der Beantwortung einiger Fragen und einer kurzen Stärkung am Buffet, durften wir schließlich selbst das Philosophieren auf dem Gedanken-Spielplatz ausprobieren. Wir wurden mit der Frage: „Gibt es eine Regel auf die sich ALLE Menschen einigen könnten?“ auf die Schaukel geschickt. Diejenigen, die die Frage mit nein beantworten würden, sollten auf die rechte Seite gehen, die Ja-Antwortenden gruppierten sich auf der linken Seite und die Unentschlossenen blieben in der Mitte stehen. Anschließend tauschten wir, moderiert von Laura Kerslake, unsere Gedanken aus. Dabei zog sie immer wieder Vergleiche zu den Kindern und erzählte von ihren Erfahrungen. So würden manche Kinder, während wir stur auf unseren Seiten stehen blieben, bei beinahe jedem neuen Argument die Seite wechseln. Zudem würden sie nicht wie wir mit abstrakten Argumenten reagieren, sondern mit konkreten Regeln, wie beispielsweise „Jeder muss lieb zu Fröschen sein“.

Laura Kerslake erzählte uns auch, wie sehr es sie freut, dass die Kinder ihrer Schule in Zeiten, in denen sie sich selbst beschäftigen dürfen, oft entscheiden, auf den Gedanken-Spielplatz zu gehen, statt anderen Aktivitäten nachzugehen.

Vielen Dank an unsere Praktikantin Theresa Kern für diesen Beitrag!

Pop-up-Philosophie: Das FiloSofa stellt sich vor

Das war mein Traum: Auf einem Sofa sitzen und mit Menschen, groß und klein, zu philosophieren. Was ist daraus geworden? FiloSofa. Im Sommer 2018, nachdem ich bereits die ersten Module an der Akademie besucht hatte, kaufte ich mir ein gebrauchtes Sofa und legte los.

Bisher stand es im Grünbereich eines Jugendzentrums und auf dem Marienplatz in Freising. Weil das Sofa doch ganz schön groß und schwer ist, und nur 3-4 Menschen gleichzeitig darauf Platz nehmen können, gibt es seit dem Herbst 2018 auch noch die Puppensofa-Variante. Die kann überall hin mitgenommen werden und auf ihr hat sogar ein Denkzwerg Platz genommen, der gerade den Kleineren beim Denken helfen kann. Dieses kleine FiloSofa stand in Freising nun schon im Alten Gefängnis, in der Stadtbibliothek und in einem Kindergarten. Ab und zu ist es auch in der Fachakademie für Sozialpädagogik in Freising dabei, wo ich den angehenden Erzieher*innen in einem Wahlfach das Philosophieren mit Kindern näher bringe.

Es ist schön zu sehen, mit welcher Begeisterung gerade die Kinder sich zu den Themen Glück, Freundschaft, Natur sowie Wahrnehmung und Wirklichkeit äußern. Moment mal, philosophieren wir über Wahrnehmung und Wirklichkeit mit Kindern? Ja! Das Buch „Alle sehen eine Katze“ ist ein grandioser Einstieg, um z.B. darüber zu sprechen, ob es „die eine Welt“, „die eine Katze“ gibt oder ob jeder seine eigene Version hat…. Und wovon es abhängt, wie wir die Dinge sehen – eine Maus hat vielleicht ein anderes Bild von einer Katze als ein Hund. Ganz nebenbei lernen die Kinder auch noch, dass Regenwürmer nicht sehen, sondern Bewegungen wahrnehmen können oder wie Bienenaugen gestaltet sind. In unserem Fall entstand dann auch noch ein Gespräch darüber, was eine Katze zur Katze macht. „Alle sehen eine Katze“ – eine absolute Empfehlung!

 

Lediglich beim Thema Zeit erlebte ich zusammen mit meiner Gruppe von Studierenden der Fachakademie einen zurückhaltenderen Nachmittag. Ist das Thema also schlecht geeignet? Keinesfalls. Aber die Kombination aus eher ruhigen, jüngeren Kindern, die sich noch nicht kennen, anwesenden Erwachsenen und keine Vorerfahrung im Philosophieren waren Stolpersteine. Interessanterweise fanden die Kinder den Nachmittag trotzdem sehr schön, vielleicht auch, weil sie wirklich einfach in Ruhe ihren Gedanken nachhängen konnten. Beim Ausmalen von Sanduhren konnten sie auch nochmal deutlich sehen, was Vergangenheit ist und was Zukunft.

Pop-up-Philosophie – so nenne ich das, wenn ich irgendwo hingehe zum Philosophieren – birgt gerade mit Erwachsenen das Risiko, dass mehr diskutiert wird, die Offenheit verloren geht und die eigenen Erfahrungen eine sehr dominante Rolle spielen. Und ich merke, dass viele es ungewöhnlich finden, dass es kein Richtig oder Falsch gibt, dass man tatsächlich seinen ganz eigenen, vielleicht sogar nur vorläufigen Standpunkt finden darf.

Andererseits macht es mich glücklich, wenn sich so viele Kinder auf das Sofa setzen, dass ich am Boden davor Platz nehmen muss und sie sogar ihre eigenen Themen mitbringen. Wenn sie sich bedanken, dass sie endlich Zeit und Raum für „richtige“ Gespräche haben. Wenn sie mich fragen, wann ich wieder komme. Und auch, wenn sie mit Fragezeichen in den Augen nach Hause gehen, weil sie sich doch nicht 100% sicher sind, ob das jetzt immer dieselbe Katze war oder nicht? Und wo die Zeit genau hingeht, wenn sie vorbei ist? Und wem die Welt nun wirklich gehört? Und was es für sie bedeutet, glücklich zu sein. Oder eine Freundin. Oder mutig.

Was wünsche ich mir für die Zukunft? Viele FiloSofas auf der ganzen Welt, wo
sich alle Menschen treffen können, um in Frieden über die großen und kleinen Fragen philosophieren zu können.

Ein Gastbeitrag unserer ehemaligen Teilnehmerin Katharina Maas. Infos und Kontakt auf www.filosofa.de

Nur heiße Luft? – Wie frage ich richtig nach

Im Mai geht unser Aufbaumodul „Vertiefend Weiterfragen“ in die zweite Runde. Zweifeln, argumentieren, mit Gedanken spielen: Die Geschichte der Philosophie ist voller Methoden des Denkens. Diese Methoden für ein Gespräch in der Gruppe zu nutzen, ist allerdings nicht ganz einfach. Schließlich besitzt jedes Gespräch seine eigene Dynamik. Wann frage ich wie nach? – diese Frage zu beantworten ist daher die große Aufgabe, vor der wir als Moderatoren stehen. Mit etwas Theorie und viel praktischer Übung wollen wir in unserem Aufbaumodul Antworten finden.

Einige der Methoden stellen wir euch aber heute schon vor, zum Beispiel…

 

  1. Die Perspektive wechseln
    Es ist im philosophischen Gespräch von Vorteil, möglichst viele verschiedene Perspektiven einzubeziehen. Wenn sich das jedoch nicht aus dem Gespräch selbst ergibt, können Fragen hilfreich sein, die auf andere Vorstellungen, Kulturen, Zeiten abzielen und so zumindest einen gedachten Perspektivwechsel erlauben, z.B.: Gilt das für jeden Menschen? Ist das überall auf der Welt so? War das immer so, zu jeder Zeit?
    Auch andere oder gänzlich unbekannte Perspektiven können eingenommen werden: Wie würde das ein Kind, ein Höhlenmensch, ein Fisch, eine Pflanze, ein Alien etc. sehen/wahrnehmen?
    Bei moralischen Fragen, bei Streitfragen kann man die Teilnehmer bspw. aber auch auffordern, Argumente für die Gegenseite zu finden.
  2. Gedankenexperimente
    Sehr beliebt, um den Blick für andere Möglichkeiten zu öffnen, sind in der Philosophie (und nicht nur dort) Gedankenexperimente. Ihr Grundmuster kann auf die Formel „Was wäre, wenn…?“ gebracht werden. Eine einfache und gerade für Gespräche wirkungsvolle Form des Gedankenexperiments ist die „Fiktive Nichtung“, also bspw. „Was wäre, wenn es keine Freundschaft gäbe?“, „Was wäre, wenn niemand mehr die Wahrheit sagen würde?“
    Es gibt aber natürlich auch komplexere Gedankenexperimente. Eines der wohl bekanntesten ist Robert Nozicks „Glücksmaschine“, das der Frage nachgeht, ob das ewiges Glücklichsein der höchste erstrebenswerte Zustand ist:
    Stellen wir uns vor, geniale Neuropsychologen hätten eine „Glücksmaschine“ konstruiert, die ihrem Benutzer jede Erfahrung ermöglicht, die er zu machen wünscht. Wenn wir wollen, könnten wir uns für den Rest unseres Lebens an diese Maschine anschließen lassen. Wir würden nicht wissen, dass wir an eine Maschine angeschlossen sind, sondern alles wäre so, als geschehe das, was wir von nun an erleben, wirklich. Wir würden subjektiv keinen Unterschied merken, wären aber davor geschützt, Dinge zu erleben, die wir lieber nicht erleben möchten. Unsere Liebesbeziehungen wären allesamt glücklich, wir würden alles erreichen, was wir uns vornehmen, und hätten alles, was wir uns nur wünschen. Wir könnten also, was unsere subjektive Wahrnehmung angeht, jedes Leben führen, das wir wollten. Würden wir dann auch nur eine Sekunde zögern, diese einmalige Gelegenheit zu ergreifen, uns unser Glück auf Lebenszeit zu sichern? Würden wir sie vielleicht sogar ablehnen?
  3. Argumentieren
    Beim Argumentieren geht es oft um das Herausfinden von Schwächen eines Argumentes, um sich nicht in Fehlschlüsse zu verstricken, aus denen heraus dann die weiteren Schlussfolgerungen gezogen werden. Zunächst einmal muss jedoch geklärt werden, was überhaupt ein Argument ist. Im Alltag geht es häufig um bloße Meinungen, Sichtweisen, die man vertritt bzw. verneint, ohne dafür einen wirklichen Grund zu nennen. Im philosophischen Gespräch werden die Meinungen schon eher begründet oder zumindest achtet die Gesprächsleitung darauf und fragt: „Warum denkst du, dass das so ist?“Ein Klassiker aus der Philosophie zu diesem Thema:
    Sokrates ist sterblich 
    also: Sokrates ist ein Mensch.Auch wenn es so aussieht – um ein Argument im klassischen Sinn handelt es sich dabei noch nicht. Warum? Wir können nicht von einem Satz auf den anderen schließen, ebenso wenig wie man von einer Zahl (2) auf eine andere (5) schließen kann. Man braucht also mindestens zwei Sätze (in der Logik Prämissen), von denen man auf etwas drittes schließt (oder um bei den Zahlen zu bleiben: 2 + 3 = 5). Beim Beispiel mit Sokrates würde das dann so aussehen:Sokrates ist ein Mensch (Prämisse 1). Alle Menschen sind sterblich (Prämisse 2). Also: Sokrates sterblich (Konklusion). Nun mag das im ersten Moment etwas spitzfindig klingen, denn natürlich wissen wir, dass alle Menschen sterblich sind, das muss man eigentlich nicht erst deutlich machen. In vielen anderen Argumenten macht aber gerade diese Suche nach der „stillen Voraussetzung“ Sinn und hilft, Streitfragen zu klären oder einer Antwort näher zu kommen. Nehmen wir also als Beispiel die Streitfrage: Ich bin der Meinung, dass in staatlichen Institutionen keine Kreuze hängen dürfen und begründe dies so: Das Aufhängen eines Kreuzes verwischt die Grenze zwischen Staat und Religion. Was setze ich jedoch voraus, um die Schlussfolgerung: „Es sollten keine Kreuze in staatlichen Institutionen hängen“ ziehen zu können? Was ist also meine zweite Prämisse? Was denken Sie?
    Im philosophischen Gespräch kann man solche stillen Annahmen erfragen, indem man bspw. bei einer Begründung nochmal nachhakt: „Und warum denkst du, dass das so ist?“ oder auch „Auf welchen Annahmen beruht deine Begründung?“.

Übrigens: Wer Lust an der Provokation als Methode hat, der hat sicherlich auch Freude an dem immer wieder polarisierenden Philosophen Slavoj Žižek.

Feuer gefangen? Alle Infos zum Aufbaumodul im Mai findet ihr hier.

 

Autorin des Beitrags: Diana Schick