Das Projekt Werte.Dialog.Integration findet nun nach fast drei Jahren seinen Abschluss. Vielfalt, Heimat, Kultur, Gemeinschaft, Familie und viele andere Themen, an denen sich kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede erfahren, verstehen, bewusst machen und überwinden lassen, standen im Mittelpunkt dieses Projektes. Im Zuge dessen absolvierten zahlreiche TeilnehmerInnen die Zusatzausbildung „Philosophieren über Werte im interkulturellen Dialog“  – darunter auch Tabea Schneider, Studienleiterin für die Bereiche Migration-Integration und Populismus-Extremismus bei der Europäischen Akademie Bayern. Sie organisiert europapolitische Bildungsseminare für unterschiedliche Zielgruppen im In- und Ausland, hält Vorträge und ist außerdem zuständig für die Durchführung von Planspielen.

 Wie bist du auf die Zusatzausbildung „Philosophieren über Werte im interkulturellen Dialog“  aufmerksam geworden?

Ich bin auf die Zusatzausbildung durch mein berufsbegleitendes Studium bei der Hochschule für Philosophie gestoßen. Dort habe ich einen Kurs in der philosophischen Gesprächsführung belegt. Parallel dazu waren wir mit der Europäischen Akademie Bayern sehr aktiv im Wertebündnis Bayern. Über das Wertebündnis habe ich dann Julia Blum kennengelernt, die mich auf die Zusatzausbildung aufmerksam gemacht hat. Da ich eure Institution zu diesem Zeitpunkt schon lange kannte und euer Angebot im Blick hatte, hat das dann einfach gepasst.

Worin bestand für dich die Motivation, die Zusatzausbildung zu absolvieren?

Ich habe ja an der Hochschule für Philosophie studiert, habe mich dort aber vorwiegend mit wissenschaftlicher Philosophie beschäftigt. Während meines Studiums habe ich gemerkt, dass viele Themen, die wir behandeln genau zu meinem Arbeitsgebiet passen – aber ich nicht wusste wie ich das zu den Zielgruppen bringe, mit denen ich zusammenarbeite, da ich nicht mit wissenschaftlichen Zielgruppen, sondern vielmehr mit SchülerInnen arbeite. Da diese aber noch nie irgendetwas mit Philosophie zu tun hatten, habe ich mir gedacht, dass die Zusatzausbildung eine super Ergänzung zu meiner Arbeit ist. Denn viele der politischen Themen, die wir bearbeiten beinhalten auch philosophische Fragen.

Was hat dir an der Zusatzausbildung besonders gut gefallen?

Besonders gut an der Zusatzausbildung hat mir die Angewandheit gefallen, denn alles was wir gemacht haben, hat mit unterschiedlichen Methoden zu tun gehabt, von denen ich gleich wusste „So kann ich es in der Praxis umsetzen!“. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass ich selbst sehr stark gewachsen bin durch, da ich auch für mich selbst zum Nachdenken gekommen bin und dadurch zu einer besseren Leiterin von Planspielen und Workshops wurde, da ich ganz viel mitgenommen habe über die Art und Weise der Gesprächsführung. Das kann ich auch immer einsetzen, auch wenn ich nicht direkt mit meinen Zielgruppen philosophiere.

Inwiefern konntest du das Philosophieren in deinen Arbeitsalltag integrieren?

Ich habe direkt im Anschluss an die Zusatzausbildung bei openion um Projektgelder beworben, damit ich mit einer Mittelschulkasse von Oktober 2018 bis Februar 2019, alle drei Wochen über Themen der Demokratie philosophieren konnte. Darüber hinaus habe ich aber auch an Wochenendseminaren und bei Planspielen am Ende der Veranstaltung mit den Teilnehmenden philosophiert, um die Veranstaltungen nachzubereiten.

Aber ich konnte auch definitv die philosophische Haltung und Art und Weise der Formulierung von Fragen in meinen Arbeitsalltag integrieren.

Ende Februar diesen Jahres haben wir auch eine große Veranstaltung mit dem Titel „Eure Zeit für Gerechtigkeit“, bei welcher ich auch eine philosophische Einheit zum Thema Gerechtigkeit mit SchülerInnen und Gregor Gysi durchführen werde.

Welche Effekte und Wirkungen konntest du wahrnehmen?

Bei mir hat das Philosophieren dazu geführt, dass ich über über viele Dinge mehr nachdenke – über viele Wörter, Aussagen, Themen. Es hat auch dazu geführt, dass ich mehr Methoden einsetze, die mit nachdenken zu tun haben. Das sind dann auch Methoden, bei denen auch jede*r mal alleine was macht und alleine Zeit hat nachzudenken, quasi als „Philosophieren alleine“, denn das braucht man auch nicht immer mit anderen gemeinsam machen.

Bei den Teilnehmer*innen konnte ich oft wahrnehmen, dass sie von diesen Methoden irritiert waren, denn oft gibt es bei politischen Themen vermeintlich nur eine Antwort. Aber generell glaube ich, dass gerade das Philosophieren am Ende eines Seminars die Nachhaltigkeit anregt, da man mit mehr Fragen herausgeht, als man gekommen ist und man somit auch im Nachhinein mehr darüber nachdenkt. Ich teile auch die Einstellung, dass es gut ist, wenn neue Fragen entstehen, da sonst Stillstand herrschen würde. Aber das verstehen die Teilnehmer*innen auch im Nachhinein, dass es auch sinnvoll ist, sich solche Fragen zu stellen.

Ist dir etwas aus den philosophischen Einheiten besonders in Erinnerung?

Eine Einheit, die ich im Anschluss an ein Planspiel zum Thema „Außenpolitik der EU“ durchgeführt habe, ist mir besonders in Erinnerung geblieben. An einem Wochenende haben wir uns mit den Themen Flucht und Fluchtursachen sowie Terrorismus befasst. Die Teilnehmer*innen wollten dann im Anschluss gerne über das Töten in Notsituationen philosophieren. Wir haben uns dann die Frage gestellt, wie wir handeln würden, wenn uns der IS unter Druck setzt – dabei ging es vor allem um Zwang und Empathie mit diesem Zwang, denn die Teilnehmenden haben sich versucht in eine solche Situation hineinzufühlen und haben sich der Frage nach der Schuld gewidmet.

Das war ein besonders schöner Abschluss, denn alle Teilnehmenden konnten etwas zu dem Gespräch beitragen und auch wenn wir nicht zu einer Lösung gekommen sind, war es ein besonderes Gruppenerlebnis, da es sehr schnell sehr in die Tiefe ging.

Was hast du für dich aus der Zusatzausbildung mitgenommen?

Seit dem Absolvieren der Zusatzausbildung, interessiere ich mich definitiv mehr für philosophische Fragen und mache mir darüber auch persönlich Gedanken. Außerdem arbeite ich seither in meinem beruflichen Kontext vielmehr in eine philosophische Richtung, also nicht mehr nur „typische“ politische Bildung, sondern auch philosophische Bildung.

Die Zusatzausbildung hat mich aber auch in dem Sinne geprägt, dass ich mir seither Gedanken über Fragen wie „Wie will ich leben?“ mache. Aber auch aus den Gesprächen mit den anderen Teilnehmer*innen der Zusatzausbildung habe ich viel mitgenommen.

Projekt Werte.Dialog.Integration. Die Fortbildungsreihe findet als Teil des bayernweiten Projekts Werte.Dialog.Integration. statt. Seit 2016 entwickelt die Akademie für Philosophische Bildung darin spezielle Formate für die Arbeit im interkulturellen Bereich und zur Unterstützung integrativer Prozesse. Das Projekt wird 2019 gefördert vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration und dem Wertebündnis Bayern.

Es ist 2030...

… du wachst auf und gehst hinaus auf die Straße – den Anblick, der sich dir darbietet, würdest du als funktionierende Gemeinschaft beschreiben. Was siehst du?

…Ich sehe, dass es keine Parkplätze und keine Autos mehr gibt. Ich sehe Menschen, die mit dem Fahrrad fahren. Kinder, die mit dem Roller fahren. Eine Person, die mit dem Rollstuhl unterwegs ist und in jedes Geschäft fahren kann – eine Person, die komplett frei ist und sich keine Gedanken darüber machen muss, wie sie wo hinkommt. Außerdem sehe ich ältere Menschen, die Teil des Lebens sind – die auch noch zur Arbeit gehen, weil sie entschieden haben, dass sie noch länger arbeiten wollen. Ich sehe aber auch ältere Menschen, die nicht mehr arbeiten, weil sie nicht mehr der „typischen“ Arbeit nachgehen wollen, sondern lieber einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgehen. Ich sehe Menschen unterschiedlichster Herkunft, von denen man nicht weiss, ob sie hier schon immer leben oder Deutsch sprechen oder nicht – weil es auch einfach egal ist, weil sie Teil der Gesellschaft sind. Ich sehe viele Bäume, Pflanzen und Vögel. Ich sehe sehr viel Vielfalt und Menschen, die sich gegenseitig helfen und unterstütze – ich sehe Menschen, die zufrieden sind…

Tabea Schneider