Kann „Hubert“ auch philosophieren? Natürlich schon – und: natürlich nicht! Hubert ist Kristina Calverts Kuscheltier, ein schlaksiger Pudel, der die Kinder zum Philosophieren einlädt. In der Phantasie philosophiert er mit, insofern: ja, er kann. Andererseits gibt es seitens der Kinder durchaus Bedenken: „Neeeiiiin! Der is doch ein Kuscheltier!“ Vielleicht würde Calvert dann nachhaken, um heraus zu finden, warum ein Kuscheltier nicht denken kann. Sie folgt einem inneren Mantra des Staunens – „Na sowas?“ -, um Kinder wie von selbst ins Philosophieren zu bringen. Ist Hubert weise? Kann er nicht weise sein? Kennst du denn jemanden, von dem man sagen kann, er ist „weise“? – Yoda! Gandalf. Der Opa, glaub ich. Meine Mama, die weiß, wie man Flecken aus dem T-Shirt rausmacht.
Dr. phil. Kristina Calvert, die uns letzte Woche in München besucht und ein zweitägiges Seminar gehalten hat, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Frage, wie Kinder im Unterricht ihre Selbstkompetenzen herausfordern und üben und wie Pädagogen ihren Teil dazu tun können. Wie können wir den Raum öffnen für kreatives Denken und forschendes Lernen, dem Schlüssel zur Deutungskompetenz? Logisch begründen, argumentativ analysieren, de- und rekonstruieren von (althergebrachtem) Wissen – das sind die Methoden, die uns ermächtigen, zu konstruieren. Pädagogen müssen, so Calverts These, das Zeug dazu haben, zu unterrichten für eine Welt, die es nicht gibt. Diese Welt ist die Zukunft, in der die Kinder als Erwachsene leben und handeln müssen. „Mein Ziel ist, dass die Kinder zum Konstruieren kommen. Ich begleite sie dabei.“ Voraussetzung dafür: Ich muss scheinbar Selbstverständliches, also die mir präsentierten Vorstellung von Welt, hinterfragen.
Das Phänomen, dass Kinder ab einem gewissen Alter kaum noch Fragen stellen und hauptsächlich reproduzieren, was erwartet wird, breitet sich umso schneller aus, je schneller Antworten, ungeprüft, gegeben werden. Der Weg in die Welt der Kinder führt aber durch ihre Fragen an die Welt. Kinder sollen wieder Fragen stellen können, so Calvert. Sie brauchen einen Raum, in dem sie das „geschmeidige Denken“ üben, ohne den roten Faden zu verlieren. Sie versuchen beim Philosophieren, ihre Ideen in Form bringen, sie auszudrücken, um ihre verschiedenen Vorstellungen von Wirklichkeit mit anderen teilen und diskutieren zu können.
Kristina Calvert versteht Philosophieren auch als Reinigungsprozess: man kann das Wissen, das man erwirbt, hat oder ansammelt, ins Gespräch (die Produktion von Zukunft) einfließen lassen. Ich kann es loslassen, indem ich es formuliere und anderen vorstellbar mache – das schafft Platz für Neues und hilft, Wesentliches zu verinnerlichen. Denn: „Die Welt ist offen für die Deutung!“ Na sowas! Das ist die philosophische Haltung: staunen, hinterfragen, sich wundern, was da kommt. Alle Schubladen schließen, die automatisch aufgehen, sobald eins eine Aussage wagt, z.B. auch die: „Wer dumme Frage stellt, na klar, der wird auch dumme Antworten geben.“ Das ist die Herausforderung für alle Unterrichtenden.
Philosophieren als Methodik, den Schülern den Spaß am Lernen wieder zu geben. Ob da ein Hubert mithilft, ob man Logik-Spiele einsetzt, künstlerisch mit den Kindern arbeitet oder gemeinsam Wörter zerlegt, um zu neuen Assoziationen zu kommen – immer geht es darum, Lust am Konstruieren von Welt und Wirklichkeit zu bekommen. Nur über den Sinn werden wir zum verantwortungsbewussten Handeln kommen.
Zur Dokumentation einer philosophischen Einheit mit Kristina Calvert geht es hier.