Über Ordnung
Wer räumt hier eigentlich mal auf?
von Julia Blum
Es gibt ihn wirklich, den Weltaufräumtag. Und ich muss aus aktuellem Anlass meine ganz persönlichen Gedanken dazu loswerden: Meine Tochter zieht um. Also nicht etwa aus, sie bleibt sogar im selben Zimmer – und doch zieht sie um: vom Jugendzimmer in etwas Neues, das sich erst langsam mit dem Ausräumen, Weißeln, Putzen, Aussortieren und Umstellen herausbildet. Quasi eine neue Weltordnung.
„Ist gefühlt mein sechster Weltaufräumtag“, sagt sie. Denn immer, wenn ein Kapitel – Kindheit, Jugend, Freundschaft, Schule – zu Ende geht, räumt sie auf. Von Grund auf wird alles umgedreht, neu sortiert und manches noch einmal gewürdigt, bevor es gehen darf. Aus dem Zimmer, aus dem Leben, könnte man sagen.
Das verrückteste am Aufräumen ist ja: der Zustand danach ist nicht haltbar.
Als Mutter stelle ich fest: Aufräumen ist relativ. Wie unaufgeräumt war es vorher? Wie aufgeräumt ist es nachher? Es macht einen Unterschied, aus welcher Perspektive man das Ganze betrachtet und welchem Zweck es dient. Relativ ist es auch zur Zeit – zur Zeit, die man im Leben grundsätzlich damit verbringt. Zur Zeit, die es braucht, um den gewünschten Zustand zu erreichen. Und natürlich zu der, die der Zustand anhält, wenn man sagt: Jetzt ist es aber aufgeräumt!
Da frage ich mich plötzlich, ob nicht alles, was wir tun, irgendwie unter der Kategorie „Aufräumen“ laufen könnte – im Guten wie im Schlechten. Ein- und aussortieren, ordnen, erfinden, verbessern, effektiver machen, an den richtigen Platz stellen. Zum Beispiel auch: Du hierhin, ich dorthin. Dann hat alles seine Ordnung. Gegen Ansichten oder gegen den Saustall kämpfen – ist das nicht im Grunde das Gleiche? Auch die Natur wird aufgeräumt, nur nennen wir es dann kultivieren.
Welche Bedeutung haben Aufräumen und der aufgeräumte Zustand für das Leben? Welcher Aufwand ist angemessen, welcher Zweck noch vertretbar? Und: Wie viel Zeit will ich eigentlich damit verbringen, Dinge in Ordnung zu bringen und in Ordnung zu halten? Was wäre, wenn ich einfach von jetzt auf gleich damit aufhören würde? Was müsste ich dann annehmen?
Das Verrückteste am ganzen Aufräumen ist ja: Der Zustand danach ist nicht haltbar. Ernüchternd? Vielleicht. Aber so ist es. Gerade WEIL sich Staub sofort wieder bildet, WEIL die Arbeit nie endet, WEIL eine Ordnung von der nächsten – oder vom Chaos – abgelöst wird, macht Aufräumen für mich nur dann Sinn, wenn es als Teil des Weges verstanden wird.
Das sollte man sich öfter mal vor Augen halten. Vor allem als Mutter.
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