„Wie geben wir uns gegenseitig Halt?“
Zwei Wertedialoge im Rahmen des Friedensfestes Augsburg
Kaffee trinken, Meditieren, Yoga machen, Halloween feiern, eine Raucherpause machen, sich mit High-Five oder „Bussi rechts Bussi links“ begrüßen … welche Rituale findest du in deinem Alltag?
Zum Friedensfest-Thema „Rituale“ fanden im Rahmen des diesjährigen Friedensfestes zwei WerteDialoge statt:
Am 24. Juli als Online-Veranstaltung und am 25. Juli im Augustana Saal in Augsburg.
Moderiert wurden beide Veranstaltungen von der Akademie-Trainerin Nila Schlenker. Die Gastgeber*innen waren Sinan von Stietencron (Akademie) sowie Elvira Friebe (IN VIA Augsburg e.V.). Beide Veranstaltungen wurden zudem unterstützt durch die Gebärdensprache-Dolmetscher*innen Christiane Schuller und Johannes Nagler. Fotografisch begleitet wurde die Veranstaltung im Augustana Saal von Florian Freund.
Zu Beginn beider Veranstaltungen wurden die Teilnehmer*innen gebeten, sich den anderen dadurch vorzustellen, dass sie von der persönlich größten Veränderung im vergangenen Jahr sowie dem, was dabei Halt gegeben hat berichten. Die Teilnehmer*innen erzählten von beruflichen, räumlichen und altersbedingten Veränderungen sowie von Fluchterfahrungen und dem Erlebnis, dass die eigenen Kinder ihre Schulbildung abschließen und ausziehen. Halt fanden sie dabei in familiären und freundschaftlichen Beziehungen, in gewohnten Umgebungen und Verhaltensweisen sowie durch das aktive Nehmen von Raum und Zeit um sich mit den eigenen Gedanken und dem eigenen Körper auseinanderzusetzen.
Mit diesem Erfahrungsaustausch führte Nila Schlenker in den jeweiligen Dialog ein und stellte die Frage:
„Inwiefern geben uns Rituale Halt?“
Auf diese Frage hin entwickelte sich an beiden Tagen ein vielfältiges philosophisches Gespräch. Im Laufe der beiden Gespräche beschäftigten sich die Gruppen mit vielen Fragen rund um diese Kernfrage:
Was macht ein Ritual in seinem Wesen aus? Gibt es eine bestimmte Zahl an notwendigen Wiederholungen einer Handlung bis wir diese als ein „Ritual“ definieren? Was ist der Unterschied zu einer Routine? Kann diese zu einem Ritual werden? Merke ich erst, dass etwas ein Ritual für mich war, wenn es nicht mehr da ist? Was ist der Unterschied zu einer Tradition? Kann sich aus einem Ritual eine Tradition entwickeln? Welche Unterschiede gibt es zwischen bereits etablierten und neu geschaffenen Ritualen? Inwieweit lasse ich Abweichungen beim Ausüben eines Rituals zu, damit es dasselbe Ritual bleibt?
Welche Ziele haben Rituale? Muss das Vollziehen von Ritualen begründet werden? Kann ich als Nichtraucher auch eine Raucherpause machen? Ist die Intention von einem Ritual immer positiv bzw. gut?
Wie unterscheiden sich die Rituale, die ich alleine vollziehe, von denen, die ich mit anderen gemeinsam ausübe? Nehme ich mir bewusst die Zeit um mir selbst ein persönliches Ritual zu etablieren?
Spiegeln meine Rituale meine Identität wider?
Wie können wir es schaffen, dass uns Rituale zusammenbringen? Gibt es Rituale, die uns als Erden- bzw. Menschenbürger verbindet? Gibt es „Metarituale“?
Inwiefern gibt mir die Familie Halt? Gibt mir die Familie auch dann Halt, wenn ich kein gutes Verhältnis zu ihr habe oder gerade mit ihr zerstritten bin? Inwieweit lässt sich die Familie als Modell bzw. Struktur auf die Gesellschaft übertragen, um Halt zu schaffen?
Online endete das philosophische Gespräch indem sich jeweils 2-3 Teilnehmer*innen in sogenannten Breakoutrooms zu der Frage „Welcher Gedanke gibt mir Halt?“ austauschten.
In Augsburg erfolgte der Abschluss in zwei Gruppen: Zum einen wurde ein Stand-bzw. Bewegt-Bild über „gemeinschaftlichen Zusammenhalt“ erarbeitet. In einer tanzenden, fließenden Kette verbinden Rituale eine Gemeinschaft, erlauben aber trotz der Verbindung Gestaltungs- und Bewegungsspielräume.
Und zum anderen unterhielt sich eine Gruppe darüber „welche Alltagsrituale die Gesellschaft von morgen zusammenhält“:
Die Teilnehmer*innen sprachen über die durch die aktuellen Hygienemaßnahmen bedingte partielle Verunsicherung der Menschen beim Begrüßen und inwiefern im Zuge dessen neue Begrüßungsrituale entwickelt werden. Außerdem stand die Frage darüber im Raum, ob neue Rituale für die „Gesellschaft von morgen“ geschaffen werden sollten oder ob bereits Bestehende verändert oder an bekannten Ritualen festgehalten werden soll.
Danke an die Moderatorin Nila Schlenker, an die Dolmetscher*innen Christiane Schuller und Johannes Nagler, an den Fotografen Florian Freund sowie an unsere Projektpartnerin Elvira Friebe und mit ihr IN VIA Augsburg e.V..
Und danke vielmals an alle Teilnehmer*innen für Euer Da-Sein, Eure Beteiligung und das Teilen Eurer Gedanken!
Hier finden Sie noch weitere Informationen über das Augsburger Friedensfest.
Ein Beitrag von Sinan von Stietencron und Carina Andrasch