Nur heiße Luft? – Wie frage ich richtig nach
Im Mai geht unser Aufbaumodul „Vertiefend Weiterfragen“ in die zweite Runde. Zweifeln, argumentieren, mit Gedanken spielen: Die Geschichte der Philosophie ist voller Methoden des Denkens. Diese Methoden für ein Gespräch in der Gruppe zu nutzen, ist allerdings nicht ganz einfach. Schließlich besitzt jedes Gespräch seine eigene Dynamik. Wann frage ich wie nach? – diese Frage zu beantworten ist daher die große Aufgabe, vor der wir als Moderatoren stehen. Mit etwas Theorie und viel praktischer Übung wollen wir in unserem Aufbaumodul Antworten finden.
Einige der Methoden stellen wir euch aber heute schon vor, zum Beispiel…
- Die Perspektive wechseln
Es ist im philosophischen Gespräch von Vorteil, möglichst viele verschiedene Perspektiven einzubeziehen. Wenn sich das jedoch nicht aus dem Gespräch selbst ergibt, können Fragen hilfreich sein, die auf andere Vorstellungen, Kulturen, Zeiten abzielen und so zumindest einen gedachten Perspektivwechsel erlauben, z.B.: Gilt das für jeden Menschen? Ist das überall auf der Welt so? War das immer so, zu jeder Zeit?
Auch andere oder gänzlich unbekannte Perspektiven können eingenommen werden: Wie würde das ein Kind, ein Höhlenmensch, ein Fisch, eine Pflanze, ein Alien etc. sehen/wahrnehmen?
Bei moralischen Fragen, bei Streitfragen kann man die Teilnehmer bspw. aber auch auffordern, Argumente für die Gegenseite zu finden. - Gedankenexperimente
Sehr beliebt, um den Blick für andere Möglichkeiten zu öffnen, sind in der Philosophie (und nicht nur dort) Gedankenexperimente. Ihr Grundmuster kann auf die Formel „Was wäre, wenn…?“ gebracht werden. Eine einfache und gerade für Gespräche wirkungsvolle Form des Gedankenexperiments ist die „Fiktive Nichtung“, also bspw. „Was wäre, wenn es keine Freundschaft gäbe?“, „Was wäre, wenn niemand mehr die Wahrheit sagen würde?“
Es gibt aber natürlich auch komplexere Gedankenexperimente. Eines der wohl bekanntesten ist Robert Nozicks „Glücksmaschine“, das der Frage nachgeht, ob das ewiges Glücklichsein der höchste erstrebenswerte Zustand ist:
Stellen wir uns vor, geniale Neuropsychologen hätten eine „Glücksmaschine“ konstruiert, die ihrem Benutzer jede Erfahrung ermöglicht, die er zu machen wünscht. Wenn wir wollen, könnten wir uns für den Rest unseres Lebens an diese Maschine anschließen lassen. Wir würden nicht wissen, dass wir an eine Maschine angeschlossen sind, sondern alles wäre so, als geschehe das, was wir von nun an erleben, wirklich. Wir würden subjektiv keinen Unterschied merken, wären aber davor geschützt, Dinge zu erleben, die wir lieber nicht erleben möchten. Unsere Liebesbeziehungen wären allesamt glücklich, wir würden alles erreichen, was wir uns vornehmen, und hätten alles, was wir uns nur wünschen. Wir könnten also, was unsere subjektive Wahrnehmung angeht, jedes Leben führen, das wir wollten. Würden wir dann auch nur eine Sekunde zögern, diese einmalige Gelegenheit zu ergreifen, uns unser Glück auf Lebenszeit zu sichern? Würden wir sie vielleicht sogar ablehnen? - Argumentieren
Beim Argumentieren geht es oft um das Herausfinden von Schwächen eines Argumentes, um sich nicht in Fehlschlüsse zu verstricken, aus denen heraus dann die weiteren Schlussfolgerungen gezogen werden. Zunächst einmal muss jedoch geklärt werden, was überhaupt ein Argument ist. Im Alltag geht es häufig um bloße Meinungen, Sichtweisen, die man vertritt bzw. verneint, ohne dafür einen wirklichen Grund zu nennen. Im philosophischen Gespräch werden die Meinungen schon eher begründet oder zumindest achtet die Gesprächsleitung darauf und fragt: „Warum denkst du, dass das so ist?“Ein Klassiker aus der Philosophie zu diesem Thema:
Sokrates ist sterblich
also: Sokrates ist ein Mensch.Auch wenn es so aussieht – um ein Argument im klassischen Sinn handelt es sich dabei noch nicht. Warum? Wir können nicht von einem Satz auf den anderen schließen, ebenso wenig wie man von einer Zahl (2) auf eine andere (5) schließen kann. Man braucht also mindestens zwei Sätze (in der Logik Prämissen), von denen man auf etwas drittes schließt (oder um bei den Zahlen zu bleiben: 2 + 3 = 5). Beim Beispiel mit Sokrates würde das dann so aussehen:Sokrates ist ein Mensch (Prämisse 1). Alle Menschen sind sterblich (Prämisse 2). Also: Sokrates sterblich (Konklusion). Nun mag das im ersten Moment etwas spitzfindig klingen, denn natürlich wissen wir, dass alle Menschen sterblich sind, das muss man eigentlich nicht erst deutlich machen. In vielen anderen Argumenten macht aber gerade diese Suche nach der „stillen Voraussetzung“ Sinn und hilft, Streitfragen zu klären oder einer Antwort näher zu kommen. Nehmen wir also als Beispiel die Streitfrage: Ich bin der Meinung, dass in staatlichen Institutionen keine Kreuze hängen dürfen und begründe dies so: Das Aufhängen eines Kreuzes verwischt die Grenze zwischen Staat und Religion. Was setze ich jedoch voraus, um die Schlussfolgerung: „Es sollten keine Kreuze in staatlichen Institutionen hängen“ ziehen zu können? Was ist also meine zweite Prämisse? Was denkst Du?
Im philosophischen Gespräch kann man solche stillen Annahmen erfragen, indem man bspw. bei einer Begründung nochmal nachhakt: „Und warum denkst du, dass das so ist?“ oder auch „Auf welchen Annahmen beruht deine Begründung?“.
Übrigens: Wer Lust an der Provokation als Methode hat, der hat sicherlich auch Freude an dem immer wieder polarisierenden Philosophen Slavoj Žižek.
Feuer gefangen? Alle Infos zum Aufbaumodul im Mai findet ihr hier.
Autorin des Beitrags: Diana Schick