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Praktikum bei der Akademie Kinder philosophieren – ein Erfahrungsbericht

Ich heiße Tim Nissel, bin 24 Jahre alt und studiere Philosophie im Master an der Universität Bielefeld. Mir gefällt das Philosophiestudium sehr gut und ich würde auch in Zukunft gerne weiterhin mit Philosophie zu haben. Da die Stellen an Unis sehr begrenzt sind und ich mir auch durchaus vorstellen kann, in einer NGO zu arbeiten, wollte ich die Möglichkeit des Praktikums nutzen, um herauszufinden, wie viel Philosophie außerhalb des akademischen Sektors überhaupt möglich ist.

In der Regel gibt es keine Praktika oder Berufe, die speziell für Philosophinnen und Philosophen ausgeschrieben sind, sodass sich die Suche nach einem passenden Praktikumsbetrieb als recht mühsam herausstellte. Nach einiger Recherche stieß ich auf die Homepage der Akademie, las mich in ihre Zielsetzung, das Philosophieren mit Kindern zu verbreiten, ein und bewarb mich.

Am ersten Tag des Praktikums wurde ich sehr herzlich begrüßt, dem Team vorgestellt und erhielt Zeit, mich mit Büchern und Texten in die Arbeit der Akademie Kinder philosophieren und ihr Konzept genauer  einzulesen. Nach einer kurzen Zeit des Einarbeitens bekam ich bereits erste eigene Aufgaben zugeteilt, welche von Rechercheaufgaben über Überarbeitungen von Handouts und Flyern bis hin zum Führen eines Interviews reichten. Recht früh hatte ich auch das Gefühl, dass ich nicht bloß Arbeit machte, um beschäftigt zu sein, sondern das Team wirklich entlasten konnte. Darüber hinaus nahm sich jeder im Team die Zeit, mir seinen eigenen Aufgabenbereich vorzustellen, damit ich einen guten Überblick über die unterschiedlichen Aktivitäten der Akademie erhalte.

Im Rahmen des Praktikums erhielt ich auch die Möglichkeit, als Teilnehmer in einige Lehrerfortbildungen, sowie eine Referentenschulung reinzuschnuppern. Hier haben mir besonders die Module F4 und W3 gefallen, da diese Module viele Möglichkeiten zum Philosophieren boten und darüber hinaus für mich neues methodisches Wissen über die Haltung eines philosophischen Gesprächsleiters vermittelten. Der Besuch der Fortbildungen hatte für mich zweierlei positive Aspekte. Zum einen, wie bereits erwähnt, wurde Wissen transportiert, das ich für meinen weiteren beruflichen Weg durchaus gebrauchen kann und zum anderen konnte ich nun auch sehen und erleben, was hinter der alltäglichen Büroarbeit steht – wofür man sie macht.

Neben dem Arbeiten hatte ich, als Nicht-Bayer, auch Zeit um München und Umgebung zu entdecken. An sonnigen Tagen laden insbesondere die zahlreichen Parks und Grünflächen zum Verweilen ein, doch auch eine Reise in die Alpen bietet sich immer an. Bei schlechtem Wetter lohnt sich der Besuch von Museen, von denen es in München sehr viele gibt.

Alles in allem hatte ich eine sehr schöne Zeit bei der Akademie, die rückblickend betrachtet viel zu schnell vorbei ging.

Tim Nissel

Na sowas! Wundern und Staunen im Seminar mit Frau Calvert

Kann „Hubert“ auch philosophieren? Natürlich schon – und: natürlich nicht! Hubert ist Kristina Calverts Kuscheltier, ein schlaksiger Pudel, der die Kinder zum Philosophieren einlädt. In der Phantasie philosophiert er mit, insofern: ja, er kann. Andererseits gibt es seitens der Kinder durchaus Bedenken: „Neeeiiiin! Der is doch ein Kuscheltier!“ Vielleicht würde Calvert dann nachhaken, um heraus zu finden, warum ein Kuscheltier nicht denken kann. Sie folgt einem inneren Mantra des Staunens – „Na sowas?“ -, um Kinder wie von selbst ins Philosophieren zu bringen. Ist Hubert weise? Kann er nicht weise sein? Kennst du denn jemanden, von dem man sagen kann, er ist „weise“? – Yoda! Gandalf. Der Opa, glaub ich. Meine Mama, die weiß, wie man Flecken aus dem T-Shirt rausmacht.

Dr. phil. Kristina Calvert, die uns letzte Woche in München besucht und ein zweitägiges Seminar gehalten hat, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Frage, wie Kinder im Unterricht ihre Selbstkompetenzen herausfordern und üben und wie Pädagogen ihren Teil dazu tun können. Wie können wir den Raum öffnen für kreatives Denken und forschendes Lernen, dem Schlüssel zur Deutungskompetenz? Logisch begründen, argumentativ analysieren, de- und rekonstruieren von (althergebrachtem) Wissen – das sind die Methoden, die uns ermächtigen, zu konstruieren. Pädagogen müssen, so Calverts These, das Zeug dazu haben, zu unterrichten für eine Welt, die es nicht gibt. Diese Welt ist die Zukunft, in der die Kinder als Erwachsene leben und handeln müssen. „Mein Ziel ist, dass die Kinder zum Konstruieren kommen. Ich begleite sie dabei.“ Voraussetzung dafür: Ich muss scheinbar Selbstverständliches, also die mir präsentierten Vorstellung von Welt, hinterfragen.

Das Phänomen, dass Kinder ab einem gewissen Alter kaum noch Fragen stellen und hauptsächlich reproduzieren, was erwartet wird, breitet sich umso schneller aus, je schneller Antworten, ungeprüft, gegeben werden. Der Weg in die Welt der Kinder führt aber durch ihre Fragen an die Welt. Kinder sollen wieder Fragen stellen können, so Calvert. Sie brauchen einen Raum, in dem sie das „geschmeidige Denken“ üben, ohne den roten Faden zu verlieren. Sie versuchen beim Philosophieren, ihre Ideen in Form bringen, sie auszudrücken, um ihre verschiedenen Vorstellungen von Wirklichkeit mit anderen teilen und diskutieren zu können.

Kristina Calvert versteht Philosophieren auch als Reinigungsprozess: man kann das Wissen, das man erwirbt, hat oder ansammelt, ins Gespräch (die Produktion von Zukunft) einfließen lassen. Ich kann es loslassen, indem ich es formuliere und anderen vorstellbar mache – das schafft Platz für Neues und hilft, Wesentliches zu verinnerlichen. Denn: „Die Welt ist offen für die Deutung!“ Na sowas! Das ist die philosophische Haltung: staunen, hinterfragen, sich wundern, was da kommt. Alle Schubladen schließen, die automatisch aufgehen, sobald eins eine Aussage wagt, z.B. auch die: „Wer dumme Frage stellt, na klar, der wird auch dumme Antworten geben.“ Das ist die Herausforderung für alle Unterrichtenden.

Philosophieren als Methodik, den Schülern den Spaß am Lernen wieder zu geben. Ob da ein Hubert mithilft, ob man Logik-Spiele einsetzt, künstlerisch mit den Kindern arbeitet oder gemeinsam Wörter zerlegt, um zu neuen Assoziationen zu kommen – immer geht es darum, Lust am Konstruieren von Welt und Wirklichkeit zu bekommen. Nur über den Sinn werden wir zum verantwortungsbewussten Handeln kommen.

Zur Dokumentation einer philosophischen Einheit mit Kristina Calvert geht es hier.

Ästhetische Forschung und theatrales Philosophieren

Wir werden 10 – und wir feiern mit Freunden und Fans, mit Profis und Amateuren der Disziplin Kinderphilosophieren! Dazu haben wir ein paar prominentere Gäste der Szene eingeladen: Nach Eva Zoller Morf und Dr. Thomas Wartenberg freuen wir uns jetzt auf unsere nächsten Gastdozenten: Dr. phil. Kristina Calvert und Dr. Phil Christian Gefert, beide aus Hamburg.

Die Hansestadt hat mit der Elbphilharmonie eigentlich etwas Unerhörtes gewagt: sie setzte ein Wahrzeichen für die Kultur, die Künste, den Genuss, die künstlerische Arbeit und sich selbst über alle Widerstände hinweg – mit gefeiertem Erfolg. Insofern behandeln beide nun folgenden Seminare unserer Jubiläumsreihe wirklich spannende Themen, die untersuchen, inwieweit (u.a. künstlerische) Kreativität und Philosophieren unweigerlich zusammen gehören.

Kristina Calvert wird am 23. und 24. Januar in München das forschende Lernen in den Mittelpunkt ihres Workshops stellen. Mit den Kindern geht sie über die Verbindung ästhetischen Denkens mit wissenschaftlichen Experimenten und unter Einsatz sinnlicher Wahrnehmung an naturwissenschaftliche wie philosophische Fragen heran.

Christian Gefert leitet ein Gymnasium in Hamburg. In seinem Ansatz des theatralen Philosophierens geht es darum, philosophisches Denken nicht nur im Gespräch, sondern darüber hinaus auch körperlich auszudrücken, z.B. in von den Kindern selbst entwickelten Szenen oder Körperbildern. In diesem Seminar bietet er u.a. eine Einführung in die Theorie und Raum zur praktischen Erprobung.

Es ist immer noch möglich, sich für einzelne Seminare per Email bei uns anmelden. Die Kosten liegen bei 230,- € für ein 2-tägiges Seminar. Genaue Angaben zu unseren Referenten entnehmen Sie bitte dieser Hintergrundinformation.

Hier ein Überblick über die nächsten Veranstaltungen im Rahmen des 10-jährigen Bestehens der Akademie:

23./24.01.2017  Kristina Calvert (aus Hamburg)

04./05.03.2017  Christian Gefert (aus Hamburg)

27./28.04.2017  Ekkehard Martens (aus Hamburg / Salzburg)

11./12.05.2017  Hans-Joachim Müller (aus Bad Zwischenahn)

 

Mit Eva Zoller ins Jubiläumsjahr

Es war ein würdiger Auftakt: nicht nur der Rahmen – wir tagten in den schönen Altbauräumen der Haeusler-Villa -, sondern vor allem die geladene Referentin machten dieses erste Seminar unserer Jubiläums-Reihe zu einem besonderen Erlebnis. Eva Zoller Morf, Pionierin der Kinderphilosophie in der Schweiz und wichtiges Vorbild bei der Entwicklung des methodischen Ansatzes der Akademie, nahm die Teilnehmer mit auf eine Reise zu sich selbst: Was heißt es zu sterben? Was oder wer ist der Tod? Wie sind Tod uns Leben miteinander verwoben? Während draußen der Herbst vom Himmel regnete, las Eva Zoller uns was vor – auf diese ihre sehr eigene Art: „Die große Frage“ nach dem Sinn des Lebens – das Buch von Wolf Erlbruch kannten viele, nur Eva holte die wichtigen Kleinigkeiten in den Vordergrund, zum Beispiel das Gold, das (fast) auf jeder Seite an einer bestimmten Stelle auftaucht, wie ein Zeichen, ein Wegweiser fürs Nachdenken. Sie eröffnete uns neue Einblicke in die Möglichkeiten, die im Vorlesen von Kinderbüchern stecken. Auch „Ente, Tod und Tulpe“ wurden lebendig: „Schaut bitte mal: dieser Blick der Ente… Was geht in ihr vor? Und man sieht plötzlich: hier ist sie noch ganz voller Spannung, aber da: ja, da liegt sie weich wie eine Decke auf dem Tod, entspannt. Sie vertraut sich ihm an…“

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Philosophieren über den Tod ist ein Tabubruch – in dieser Gruppe aber denken wir nicht heimlich, sondern laut über die Fragen nach, die die Tatsache, dass wir sterben werden, uns aufdrängt: Wofür lebe ich, wenn ich doch sterben muss? Woher rührt die Angst? Was ist zu verlieren? Was ist, wenn ich nicht bin? Ist der Tod ein Problem, das es zu lösen gilt? Oder ist „tot sein“ einfach ein Zustand wie „lebendig sein“… Kann der Tod mein Freund sein oder bleibt er Feind, so lange ich lebe?

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Eva Zoller Morf, Gründerin der „Schweizerischen Dokumentationsstelle für Kinder- und Alltagsphilosophie„, philosophiert viel mit Kindern und Jugendlichen über diese Fragen. Sie sieht darin nicht etwas Übergriffiges, etwas, das an Dinge rührt, die sich zu Albträumen entwickeln können. Im Gegenteil: Sie sieht darin einen Umgang mit dem Bedürfnis der Kinder, sich mit den offensichtlichen Rätseln der Welt zu beschäftigen – Rätsel, mit denen sich die Erwachsenen seltsamerweise nicht gerne auseinandersetzen, höchstens an Beerdigungen. Beruhigend, vielleicht auch beschwichtigend reden wir auf unsere Kinder ein: „Denk nicht so schlimme Sachen, Schatz.“ – „Du musst noch nicht sterben, du bist erst am Anfang deines Lebens!“

Philosophieren erlaubt, das hat uns Eva wieder sehr schön vorgemacht, nach den Gefühlen zu fragen: „Ja, das beunruhigt dich, oder? Es ist beunruhigend! – Was ist denn das, was uns beunruhigt?“ „Hast du Angst? Ich hab auch manchmal Angst.“

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Wir holen bekannte Kinderphilosophen nach Bayern!

Die Akademie Kinder philosophieren wird 2017 zehn Jahre alt. Wir werden das Philosophieren ein ganzes Jahr lang mit verschiedenen Veranstaltungen feiern und freuen uns über alle, die mit dabei sind. Unter anderem haben wir für einen außerordentlichen Seminarzyklus, der sich in erster Linie an ausgebildete Kinderphilosophen richtet, wichtige, die Szene prägende Persönlichkeiten und Fachleute aus dem In- und Ausland zu uns nach Bayern eingeladen. Die ersten Termine stehen jetzt auch fest – wir freuen uns, ab Herbst 2016 Seminare und Workshops unter der Leitung folgender Referentinnen und Referenten anbieten zu dürfen:

07./08.10.2016  Eva Zoller Morf (aus Altikon, Schweiz) zur Fortbildung!

am 26.10.2016  Thomas Wartenberg (aus Massachusetts, USA) NEU! zur Fortbildung!

08./09.11.2016  Doris Daurer (aus Innsbruck, Österreich) zur Fortbildung!

23./24.01.2017  Kristina Calvert (aus Hamburg)

11./12.02.2017  Daniela Camhy (aus Graz, Österreich)

04./05.03.2017  Christian Gefert (aus Hamburg) NEU!

27./28.04.2017  Ekkehard Martens (aus Hamburg / Salzburg)

11./12.05.2017  Hans-Joachim Müller (aus Bad Zwischenahn)

Du kannst Dich jederzeit sowohl für einzelne Seminare wie auch für die gesamte Reihe per Email bei uns anmelden; je Seminar gibt es eine begrenzte Anzahl von Plätzen. Die Kosten liegen bei 230,- € für ein 2-tägiges Seminar. Bitte entnehme genaue Angaben zu unseren Referent*innen dieser Hintergrundinformation.