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Die Top 5 der Scheinargumente

Wenn man das Engagement Jugendlicher lobt, ihnen aber gleichzeitig unterstellt, dass sie „die globalen Zusammenhänge, das technisch Machbare und das ökonomisch Sinnvolle“ nicht erkennen können, dann nennt man das in der Philosophie: ein Argument gegen die Person. Kurz gesagt: Du bist jung. Das, was du sagst, zählt nicht.

Einem Argument gegen die Person begegnet man nicht nur, wenn man jung ist: „Das ist jetzt wieder typisch Mann!“ – „Du musst das ja sagen, weil du eine Frau bist.“ – „Verstehe ich schon, dass du als Franzose/Russe/Türke so denkst, aber…“ sind andere typische Beispiele. Ein Argument gegen die Person hat nichts mit der eigentlichen Diskussion zu tun. Und kann gerade deshalb die überzeugendsten Argumente aushebeln. Also aufgepasst! Und die rhetorische Trickkiste hält noch eine ganze Reihe weiterer Kunstgriffe bereit.

Scheinargumente erkennen lernen

Seit 2018 nimmt die Akademie am Projekt openion teil, bei dem Schulen mit außerschulischen Partnern im Bereich Demokratiebildung zusammenarbeiten. Wir sind mit openion am Maria-Theresia-Gymnasium in Augsburg, wo Workshops und philosophische Gespräche stattfinden. Im Juli ging es um Scheinargumente: Welche gibt es? Was unterscheidet ein Scheinargument von einem richtigen Argument? Und wie reagiere ich richtig? Diese Fragen haben wir mit einer 8. Klasse besprochen. In einem anschließenden Streitgespräch zur Frage: „CO2 – Steuer – ja oder nein?“ durften die Schüler*innen alle rhetorischen Tricks ausprobieren. Und mussten auf die teils absurden Argumente ihrer „Gegner“ reagieren.

Die Top 5 der Scheinargumente:

1. Appell an die allgemeine Erfahrung

Typische Sätze: „Das weiß doch jedes Kind!“ – „Also heutzutage weiß man…“ – „Alle hier sind doch der Meinung, dass…“. Der Sprecher bestärkt das eigene Argument, indem er so tut, als wäre es nicht hinterfragbar. Denn: Er hat die Allgemeinheit auf seiner Seite. Das muss erstens nicht stimmen (Sind wirklich alle hier der Meinung, dass…?). Zweitens kann auch die allgemeine Meinung falsch sein. Zumindest muss sie nicht absolut gesetzt werden – andere Standpunkte gibt es schließlich (fast) immer.

2. Aufstellung falscher oder unvollständiger Alternativen

„Du findest es übertrieben, Plastikverpackungen abzuschaffen? Deiner Meinung nach sollte wohl jede Traube einzeln verpackt werden!“ Wenn man in einer Diskussion das Gefühl hat „So habe ich das doch gar nicht gemeint!“ – dann hat man es meistens mit diesem rhetorischen Trick zu tun: Der Aufstellung falscher oder unvollständiger Alternativen. Um meinen eigenen Standpunkt zu stärken, unterstelle ich dem anderen eine extreme Meinung. Und die wird er vermutlich ablehnen. Ich tue dabei so, als gäbe es eben nur diese zwei Alternativen: Plastik ganz abschaffen oder alles verpacken. Bekannt im Bereich der Alternativlosigkeit ist auch dieses Argument: Der Kommunismus ist gescheitert. Der Kapitalismus ist also die beste Wirtschaftsform. Unter diese Schwarz-Weiß-Logik fallen übrigens auch Entweder-oder-Konstruktionen, die besonders bei Eltern beliebt sind.

3. Verweis auf das eigene Nichtwissen

Der Klassiker: „Davon habe ich ja noch nie was gehört!“. Und deswegen muss es falsch sein? Hier erhebt sich der Sprecher selbst zur Autorität. In einer Diskussion geht man am besten gar nicht auf diesen Einwand ein. Sondern liefert sachliche Beweise.

4. Appell an die Emotion

Dieses Scheinargument ist besonders trickreich und taucht in vielen Varianten auf. Angst, Ekel, Neid, Hass, Mitleid… Alle Emotionen, die den anderen auf die eigene Seite ziehen sollen, können hier bespielt werden. „Du hast doch auch Angst, dass deiner Tochter etwas passiert! Deswegen müssen wir…“. „Die hat doch eh immer gute Noten. Und jetzt sollen wir bei ihrer Lerngruppe mitmachen!“ Oder man spielt die Mitleidskarte aus: „Immer seid ihr gegen mich.“

5. Das Totschlagargument

Das bekannteste unter den Scheinargumenten. Es lässt den anderen meist ratlos zurück: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ – „Wir machen das jetzt so, weil ich das sage.“ – „Das ist nun mal so.“ Der Umgang mit Totschlagargumenten ist schwierig. Schließlich bringt es zum Ausdruck, dass der andere eine Diskussion ablehnt. Hier kann man versuchen, auf die Metaebene zu gehen. Oder man bricht die Diskussion erst einmal ab, bis sich die Emotionen abgekühlt haben.

Wer mehr über Scheinargumente lernen möchte: In „Die Kunst, Recht zu behalten“ erklärt Arthur Schopenhauer 32 rhetorische Kunstgriffe.

 

Autorin des Beitrags: Diana Schick

6 Wochen, 6 Workshops und die Frage: Was will ich werden?

6 Wochen lang haben wir an zwei Augsburger Gymnasien Workshops zur Berufs- und Lebensorientierung durchgeführt. Blickt man zurück, kann man kaum fassen, was sich zwischen dem ersten und dem letzten Workshop getan hat: Anfangs noch verunsichert, gewinnen die Schüler- und Schülerinnen der Oberstufe mit der Zeit an Sicherheit und Vertrauen.

Der erste Workshop. Ich komme in die Klasse hinein und bitte die Schülerinnen und Schüler darum, die Tische beiseite zu schieben und einen Stuhlkreis zu stellen. Die Verwunderung ist groß und sie wird noch größer: Eine Schale mit philosophischen Fragen wird herumgegeben. Der Versuch, sie spontan zu beantworten, fällt manchen schwer, anderen weniger. Es wird ruhiger im Klassenzimmer. Der ein oder andere lehnt sich vor, um die Antworten des Gegenüber besser zu verstehen. Der Effekt des Philosophieren ist bereits in der Vorstellungsrunde bemerkbar: Es entsteht eine Atmosphäre der Offenheit, Wertschätzung und Achtsamkeit.

Lebensorientierung braucht Freiraum zum Denken

In unseren Workshops werden keine Stärken- und Schwächentests ausgeteilt. Es werden keine Berufe vorgestellt. Der Blick richtet sich vielmehr nach innen: Wer bin ich? Wer will ich werden? Sind Beruf und Berufung miteinander vereinbar? Wie gehe ich mit Entscheidungen, Enttäuschungen und Konflikten um? Was motiviert mich?

Um sich diesen Fragen anzunähern, braucht man Freiraum im Denken. Die Inhalte der Workshops stellen diesen Freiraum her: Übungen, Gedankenexperimente und natürlich – das philosophische Gespräch.

Wir sitzen im Kreis zusammen. In meiner Hand der Wuschel, unser Gesprächsball, der das Wort erteilt. Das Philosophieren lebt von Meinungen, Standpunkten und Erfahrungen. Ich moderiere das Gespräch und frage nach, vergleiche, fasse zusammen. Die Frage, der wir uns im ersten Workshop widmen, wurde von den Schülerinnen und Schülern selbst entwickelt: „Wie viel soll ich mir für mein Leben vornehmen?“ Das Philosophieren eröffnet einen Raum, in dem man sich auf Augenhöhe begegnet. Die Aussagen werden nicht bewertet oder gewertet. Anfangs ist das gewöhnungsbedürftig und die Augen sind groß. Aber sechs Wochen später sieht das schon ganz anders aus.

Inneres Team: Welche Stimmen be-stimmen mein Denken?

In der zweiten Woche betrete ich den Raum. Die Jungen und Mädchen sitzen bereits im Kreis und warten auf mich. Dieser Tag ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Um mehr über sich selbst zu erfahren, zeichnen die Jugendlichen – jeder für sich – ihr eigenes „inneres Team“ auf: Welche Stimmen sind in mir, wie heißen meine Teammitglieder, wer ist besonders laut?

In der Reflexion erfahre ich, dass die ersten Stimmen, die die meisten in sich wahrgenommen haben, „negativ“ konnotiert sind: Ich kann das nicht! Ich muss das unbedingt schaffen! Werde ich gut aufgenommen werden? Die lautesten waren diejenigen Teammitglieder, die sie unter Druck setzen, Stress verursachen, Ängste schüren und Selbstzweifel hervorrufen. Was den meisten jedoch nicht klar war – den anderen geht es genauso. Dies scheint manche zu beruhigen.

Wir setzen uns näher mit den „negativen“ Stimmen auseinander: Wieso haben wir diese oder jene Stimme in uns und welchen Zweck erfüllt sie in unserem inneren Team? Schnell wird so aus einer „negativen“ Stimme ein Antreiber. Eine Stimme, die uns dabei hilft, am Ball zu bleiben. Damit aber auch „der Gemütliche“, „der Abenteurer“ oder der „Kreative“ in uns laut werden darf, ohne dass „der Antreiber“ das verbietet, formulieren die Schülerinnen und Schüler Erlaubersätze: „Wenn man sein Bestes gegeben hat, sind Misserfolge auch ok!“ „Manchmal ist weniger mehr und der ständige Druck kann das Gegenteil bewirken.“

Erkenntnisse

Die nächsten Wochen sind intensiv und fördern die Auseinandersetzung mit der eigenen Person. Anfangs noch etwas schüchtern, hat sich die Klasse an die philosophische Gesprächsführung gewöhnt. Die Redebeiträge werden länger und die Jugendlichen nehmen aufeinander Bezug. Auch die Haltung verändert sich – gegenüber den anderen, aber auch sich selbst gegenüber.

„Die meiste Zeit unseres Lebens werden wir arbeiten. Ich habe Angst, den falschen Beruf zu wählen.“

„Mein Sinn des Lebens ist es zu leben.“

„Ich habe noch nie so sehr über mich selbst nachgedacht.“

Aylin von Platen

Die nächste Reihe „Philosophieren in der Berufs- und Lebensorientierung“ startet am 12. und 13. November bei uns in München.

 

Autorin des Beitrags: Diana Schick

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