Von Richtig und Falsch

Muss sich immer alles richtig anfühlen?

von Melissa Liebthal

Ich habe in letzter Zeit das Gefühl, ich mache alles falsch. Dabei weiß ich gar nicht, ob ich es überhaupt richtig machen könnte. Ist das normal? Sich so richtig fehl am Platz fühlen, über einen längeren Zeitraum? Und das, obwohl man seinen Platz vermeintlich schon gefunden hat? So ein Gefühl hatte ich das letzte Mal in der Pubertät. Da war auch gar nichts am richtigen Platz. Jetzt werde ich 23 und so einiges hat einen Platz, aber manches… Ist das die Pubertät 2.0, über die niemand spricht? Wann hört die auf? Ich bin nämlich überhaupt nicht zufrieden damit.

Manchmal ist das Leben komisch. Besonders komisch ist es als junge Erwachsene. Man ist schon älter, aber noch jung. Schlauer und doch irgendwie unwissend. Man hat schon viel gelernt und macht trotzdem noch Fehler. Man ist euphorisch und doch irgendwie traurig. Auf dem Weg, nur nicht ganz sicher, wohin. Irgendwie überfordert, aber voller Hoffnung. Man hat mehr Verpflichtungen, aber ist auch ein Stück freier. Interessiert, aber auch von allem abgelenkt. Müde, aber zu wach fürs Bett. Verliebt, aber nicht bereit für Liebe. Mitten im Geschehen und trotzdem manchmal allein. Im Jetzt, aber mit einem Auge in der Zukunft. In Erinnerungen schwelgend, aber gleichzeitig altes vergessen. Das Leben im Griff, aber jedes Wochenende feiern bis zum Absturz. Jemanden nach Rat fragen und selbst einen haben. Irgendwie faul, aber im Grunde fleißig. Irgendwie die Hauptperson des eigenen Lebens und dennoch ein Mitspieler bei den anderen.

Wir sollen nicht jemand sein, der wir nicht sind, während wir versuchen herauszufinden, wer wir sind.

So viele Gegensätze. Wie soll man sich da festlegen? So viel Unklarheit. Wie kann man da durchblicken? So viel Neues. Und das Alte wird auch mehr. Wo in diesem Spektrum findet sich unsere Wirklichkeit? Die Wirklichkeit, die sich richtig anfühlt. Die Wirklichkeit, die echt ist.

Vielleicht müssen wir gar nicht sofort wissen, was das Richtige ist. Vielleicht hilft es uns auf dem Weg herauszufinden, was unser Wie ist. Wenn ich überfordert bin, wie gehe ich damit um? Wenn ich interessiert bin, wie interessiert bin ich? Wenn ich traurig bin, wie bin ich traurig? Wenn ich Party mache, wie lang? Wenn ich verliebt bin, wie sehr? Wenn ich Hoffnung habe, wieso?

Wenn ich das herausgefunden habe, bin ich vielleicht an einem Punkt, an dem ich meine Balance gut halten kann. Dann bin ich nicht faul oder fleißig. Sondern fleißig, aber gemütlich. Oder faul, aber meiner Verantwortung bewusst. Wach, aber müde vom Tag. Schön, aber nicht immer. Verbunden, als Individuum. Nachdenklich über das Leben, dazwischen Momente mit ausgeschaltetem Kopf.

Vielleicht gibt es dann auch Liebe ohne Angst. Freundschaft mit Leichtigkeit. Handeln, ohne zu bereuen. Ehrlichkeit, ohne sich zu offenbaren. Und: Leben, lebendig. Das bedeutet: aus sich rauskommen, sich erkunden, sich erforschen, entdecken und entfalten. Sich trauen. Sich zurückziehen. Sich blamieren. Sich feiern. An sich glauben. Also ja: es fühlt sich gerade alles falsch an. Doch in dieser Ungemütlichkeit kann ich herausfinden, was sich gut anfühlt.

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